Rathaus Neuenrade
Rathaus Neuenrade
Der Dortmunder Bauinspektor Uhlig lieferte die Entwürfe nicht nur für die neue 1911 errichtete Burgschule sondern auch für das 1913/14 erbaute neue Amtshaus. Mit der Umsetzung dieser für die damaligen Verhältnisse gewagten – weil äußerst kostspieligen – Planung setzte Neuenrade ein deutliches Zeichen zum Erhalt der Verwaltung in der eigenen Stadt, denn man darf nicht die für Neuenrade gravierenden Umwälzungen des ausgehenden 19. Jh. außer Acht lassen.
So forderte in dieser Zeit die zum Amt Neuenrade gehörende Gemeinde Werdohl den Amtssitz, denn sie hatte inzwischen (1885) mit mehr als 5.000 Einwohnern die Stadt Neuenrade (rd. 1.600 Einwohner) weit übertroffen. Zum 1.4.1889 war zwar die Werdohler Exklave Berentrop nach Neuenrade eingemeindet worden, doch zum 1.6.1891 trennten sich dann die Lennetaler vom Amtsverband. Werdohl wurde selbständig und Ohle schloss sich dem günstiger gelegenen Amt Plettenberg an. Auch gab es in den 1890er Jahren Befürworter der Loslösung von Dahle aus dem Amt mit dem Ziel, die erst seit 1809 bestehende Gemeinde (vorher waren die Bewohner Dahles Neuenrader „Außenbürger“) der Landgemeinde Altena (ehemaliges Kelleramt mit Sitz in Nachrodt) zuzuschlagen. Die Loslösung konnte – auch durch den Verwaltungsneubau – bis 1968 hinausgeschoben werden.
Gegenüber den bisherigen, mehr oder weniger provisorischen, Unterkünften der Amtsverwaltung war der Bau des stattlichen zweigeschossigen Neubaus ein enormer Fortschritt. Das alte Rathaus auf der Ersten Straße (heute Gertruden-Apotheke) beherbergte nicht nur die Remise der Feuerspritze, die Haftzelle und Abstellkammer, sondern insbesondere die Schule.
Trotz des 1869 nach vorn zur Straße hinzugekommenen Erweiterungsbaus waren die Verhältnisse so beengt, dass die eigentliche Verwaltung in der Ära des Bürgermeisters/Amtmannes Theodor Weiß (1851-1890) in einem Nebengebäude seines Wohnhauses Hinter der Stadt 4 untergebracht war.
Danach kam die Verwaltung in einer Kammer des Hauses Nr. 70 des Postverwalters Grosche (später Gasthof Stuff/Stücken, Dritte Straße 9) unter,


um von 1895 bis 1901 wieder eine Bodenkammer des alten Rathauses Erste Straße zu belegen. Am 1.8.1901 erfolgte ein erneuter Wechsel zur Untermiete in den Gasthof Becker „Im Kohl“ an der Bahnhofstraße, wo auch Amtmann August Selbach (1899-1909) residierte.
Der Kostenvoranschlag des neuen Prunkstückes im Bereich des ehemaligen Wallteiches – weshalb eine Vielzahl von Pfählen zur Abstützung in den morastigen Boden getrieben wurde – belief sich auf 58.000 Mark. Dem Geschichtsbuch von Dieter Stievermann kann man entnehmen, dass die Ausführung „bewußt im heimischen Baustil erfolgte, und dass als Baumaterialien westfälische Eichen und Neuenrader Steine aus dem Steinbruch der Firma Wilh. Müchler in der Winterlit verwandt wurden. Im Kellergeschoß sah der Plan eine Wohnung für den Kastellan (Hausmeister), Gefängnisse und Kellerräume; im Erdgeschoß die Verwaltungsräume, im Obergeschoß die Wohnung des Amtmannes und im Dachgeschoß Waschküche, Fremdenzimmer, Bodenräume und Aktenkammern vor.“
Das stattliche Gebäude wurde aus unregelmäßigem Quadermauerwerk aufgeführt; die Hauptfront dreiachsig mit Freitreppe und Balkon (Altan) zur Stadt hin; die längere Front fünfachsig mit Balkon auf der Ostseite und Erker auf der Westseite. Die Fenster im Erdgeschoss sind breit und mit Segmentbögen versehen. Auch die Dachhäuschen des Walmdaches, das von einer Laterne mit Haube gekrönt ist, schließen segmentbogig ab.
Das Stadtwappen, das früher am Giebel des alten Rathauses Erste Straße prangte, fand einen neuen Platz am Balkon zum Wall hin. Es wurde zuletzt im Jahre 2008 aufwändig restauriert.
Durch die nach und nach aufgegebene Wohnnutzung und die damit verbundene Umwandlung in Büroräume erfüllte das Gebäude jahrzehntelang alle Ansprüche. Erst 1974 erfolgte ein westlicher Anbau in Flachbauweise, der im Erdgeschoss sieben Büros und darüber einen repräsentativen Sitzungssaal aufnahm. Letzterer machte schon 1992 acht weiteren Büros Platz und kam nach Aufstockung in der zweiten Etage unter.